§175: Verurteilte werden rehabilitiert und entschädigt
Wer in Deutschland in der Nachkriegszeit nach den Paragrafen 175 und 175a und nach entsprechenden Strafrechtsbestimmungen in der DDR wegen einvernehmlicher homosexueller Kontakte bestraft wurde, der wird nun rehabilitiert und kann eine Entschädigung beantragen. Der Bundestag beschloss diesen historischen Schritt am 23. Juni einstimmig, der Bundesrat stimmte ihm Anfang Juli zu. Am 21. Juli wurde das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, das einen Tag nach der Verkündung in Kraft tritt.
Jörg Litwinschuh, Geschäftsführender Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH), sagte zu der Verabschiedung im Bundestag: „Wir sind stolz, heute an einem Ziel des langen Wegs zur Rehabilitierung der Opfer des §175 StGB angekommen zu sein. Bundesjustizminister Heiko Maas hat sich mit großem Engagement für die Rehabilitierung der Opfer eingesetzt und viele Widerstände überwinden können. Leider können viele, die durch eine Verurteilung Arbeit und Ansehen, An- und Zugehörige verloren haben, diesen Tag nicht mehr erleben. Sie sind bereits verstorben. Andere trieb der soziale Tod in den Suizid. Doch ich bin sehr froh darüber, dass endlich Gerechtigkeit geschaffen wird.“
Heiko Maas trifft Verurteilte
V.l.n.r.: Bundesjustizminister Heiko Maas (l.), die Betroffenen Helmut Kress, Heinz Schmitz und Orest Kapp sowie BMH-Vertreter Daniel Baranowski (2.v.r.) besuchten am 28. April anlässlich der 1. Lesung des Gesetzs im Bundestag das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Anschließend wohnten Zeugen, die ihre Lebensgeschichten auch dem „Archiv der anderen Erinnerungen“ erzählt haben, der Lesung auf der Gasttribüne im Bundestag bei. (Foto: Ute Grabowsky / photothek.net)
Nach dem „Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen“ (StrRehaHomG) werden die Urteile kollektiv aufgehoben. Verurteilten steht auf Antrag eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro je Urteil sowie zusätzlich 1.500 Euro je angefangenem Jahr erlittener Freiheitsentziehung zu. Als eine Art kollektive Entschädigung hatte der Bundestag zuvor im Rahmen des Haushalts eine institutionelle Förderung der BMH beschlossen, die Stiftung erhält 2017 – wie voraussichtlich in den Folgejahren – 500.000 Euro.
Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen mit Personen unter 16 Jahren werden nach einer späten Änderung des Gesetzentwurfes nicht aufgehoben. Im ursprünglichen Entwurf lag die Grenze bei 14 Jahren und damit bei dem Schutzalter, das im geltenden Recht für das absolute Verbot von sexuellen Handlungen maßgeblich ist. Die BMH bedauert diese nachträgliche, von der CDU/CSU geforderte Einschränkung.
Die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) hat mit Unterstützung des Bundesfamilienministeriums eine kostenfreie Hotline eingerichtet, die unter der Nummer 0800 – 175 2017 über die Stellung des Antrags auf Entschädigung informiert und die Abwicklung über das zuständige Bundesamt für Justiz unterstützt.
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